Life-Science.eu: Naturwissenschafter in Wirtschaft gefragt

Naturwissenschafterinnen sind anders. Praxis zählt mehr, als mehrfache Studienabschlüsse. Zu verschulte Ausbildung führt zu wenig ausgeprägtem selbstorganisiertem Arbeiten. Erste Berufsjahre sind Lehrjahre. Es ist leichter vom Kleinunternehmen in den Konzern zu wechseln als umgekehrt und wenn Sie den Dienstnehmer wechseln, dann „erhobenen Hauptes“. Mag. Dominik Flener, HealthCareConsulting Group im Gespräch mit DI Gisela Zechner, life-science

Gisela Zechner: Es wird immer wieder davon gesprochen, NaturwissenschafterInnen wären anders als andere BewerberInnen. Beobachten Sie dies ebenfalls und wenn „ja“ in welcher Ausprägung?

Dominik Flener: Ich möchte nicht verallgemeinern, aber tendenziell nehmen wir bei NaturwissenschafterInnen häufiger wahr, dass sie zurückhaltender, schüchterner auftreten als AbsolventInnen von Wirtschafts- oder Marketinglehrgängen, die vielfach sehr üppig mit Selbstvertrauen ausgestattet sind.
NaturwissenschafterInnen stellen sich oft noch die Frage – „kann ich mit meiner Ausbildung in die Wirtschaft gehen?“ oder sie suchen nach Orientierung „was kann ich in der Wirtschaft oder Industrie überhaupt tun?“ Mitunter auch noch kombiniert mit Ressentiments gegenüber Wirtschaft, Verkauf und Gewinnstreben.

Wie sollen NaturwissenschafterInnen diesem Dilemma begegnen?

Ideal wäre, bereits während der Ausbildungszeit in den Ferien Praktika in der Wirtschaft, jedenfalls außerhalb der Forschungslabors und wissenschaftlichen Einrichtungen  zu machen. Damit erfahren sie, wie die Wirtschaft in der Praxis funktioniert und können für sich selbst erspüren, ob sie das Unternehmensumfeld anspricht. Es würde im Hinblick auf die Frage „Wirtschaft oder Wissenschaft“ schon viel früher viel Klarheit bringen.

Wie viel Wirtschaftskompetenz sollen NaturwissenschafterInnen mitbringen?

NaturwissenschafterInnen werden in erster Linie wegen ihres fachlichen Hintergrundes gesucht. Wirtschaftliches Basiswissen und das Verständnis dafür, dass das eigene Tun im Unternehmen an wirtschaftlichen Maßstäben gemessen wird, sind aber wichtig. Wer zusätzlich eine HAK Ausbildung oder andere kompakte Wirtschaftszusatzausbildung mitbringt, verbessert seine Chancen enorm. Es wird aber auch kein zusätzliches Wirtschaftsstudium erwartet.

Was halten Sie davon, wenn jemand 2 oder gar 3 Studien gleichzeitig absolviert?

Wenn ich ehrlich bin, suche ich nicht diese Kandidaten. Denn er oder sie ist zwar umfassend ausgebildet, aber es  fehlt fast immer die Praxiserfahrung. Ich suche auch nicht jene, die ein Studium abgeschlossen haben und danach gleich ein weiteres beginnen. Diese kommen irgendwann auf den Arbeitsmarkt und werden frustriert, da sie nichts Adäquates finden. Für die Forschung fehlt ihnen, gemessen am Alter, das wissenschaftliche Profil und für die Wirtschaft die Praxiserfahrung. 
Ganz anders sieht es für mich aus, wenn jemand berufsbegleitend studiert. Da ist es mir egal, wenn er zwei drei Semester länger für das Studium braucht. Ich weiß, der bringt Lebenserfahrung mit.

In den Medien ist sehr oft zu lesen, dass sich die Jungen unterbezahlt fühlen und unzufrieden mit ihren Arbeitgebern sind.

Bei der Generation Y ist der Trend zu beobachten, dass Sie großen Wert auf Work Life Balance legen, sie wollen nicht mehr 70 – 80 Stunden in der Woche arbeiten, – dagegen ist auch nichts einzuwenden, aber sie wollen oft trotzdem ein Gehalt, das dieser Arbeitszeit entspricht. Das geht sich nicht aus. 
Es ist ein Faktum, dass ein Bewerber, der gerade seine Ausbildung abgeschlossen hat, an seinem ersten Arbeitsplatz erst für das Arbeitsleben ausgebildet werden muss. Das will zwar keiner hören, aber wo und wie soll er es vorher gelernt haben. Die ersten Arbeitsjahre sind vor allem durch Lernen geprägt. Allerdings einer anderen Art des Lernens als man es von der Universität her gewohnt ist.

Welche Kompetenzen kann man im Arbeitsleben erlernen und welche muss man mitbringen?

Rechtsfragen sind ein typisches Beispiel, die kann man, wenn sie klar abgegrenzt sind, im Berufsleben erlernen. Bei NaturwissenschafterInnen setzt man umfassendes Wissen in ihrem Fachbereich voraus, – aus dem Grund werden sie auch angestellt – Detailwissen zu bestimmten Molekülen, Methoden oder Prozessen kann im Beruf nachgeholt werden. 
Wenn vernetztes Denken gefragt ist, dann muss das der Kandidat mitbringen, das kann er im Berufsleben nicht mehr lernen. Diese Kompetenz ist bei NaturwissenschafterInnen häufiger und auch stärker ausgeprägt als bei anderen AkademikerInnen. Sie sind im vernetzten Denken besser geschult. Eine Fähigkeit, die in einer zunehmend komplexer werdenden Welt, immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Die junge Generation ist bereits mit dem Computer aufgewachsen. Spiegelt sich das in ihrer Kompetenz im Umgang mit der IT wider.

Nein, leider nicht. Außerhalb von Facebook und Co stößt man bei vielen überraschenderweise bald an die Grenzen des Könnens. Desweiteren vermisse ich auch oft die Fähigkeiten der Selbstorganisation. Das resultiert meiner Einschätzung nach aus einer immer stärker werdenden Verschulung der universitären Ausbildung. Die Studierenden müssen sich um nichts mehr selbst kümmern. Sie bekommen den Prüfungsstoff genau vorgegeben und abgegrenzt, sie müssen sich keine Gedanken darüber machen, was ist wichtig, was nicht; welche Zusammenhänge hat es mit anderen Bereichen. Sie müssen sich keine Inhalte selbstständig zusammen suchen und erarbeiten. Es wird alles vorgefertigt geliefert. In meinen Augen ist dies ein massiver Qualitätsverlust in unserer aktuellen Ausbildung.

Sie haben eingangs die Ressentiments gegenüber der Wirtschaft angesprochen. Was meinen Sie damit konkret?

Manche haben vielleicht die Befürchtung, wenn ich einmal in einem Unternehmen gelandet bin, dann habe ich meine „Seele“ verkauft; wenn ich einmal im Marketing eines bestimmten Produkts gelandet bin, dann bin ich dort für den Rest meines Arbeitslebens gefangen.

Sehen Sie es nicht so?

Ganz und gar nicht. In den Unternehmen, und ich spreche hier von der Pharmaindustrie mit der wir hauptsächlich zusammen arbeiten, bekennen sich alle Unternehmen zur Einhaltung ethischer Grundsätze. Diesbezüglich hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Viele Unternehmen übernehmen bewusst und aktiv Verantwortung für die Gesellschaft.
Weiters beobachte ich auch eine zunehmende Differenzierung innerhalb der Pharmabranche. Einerseits gibt es die Generikaunternehmen, die Medikamente nachbauen und anbieten, die bereits auf dem Markt sind und deren Patentschutz bereits abgelaufen ist. Diese Pharmaunternehmen weisen bereits starke Ähnlichkeiten mit sonstigen Handelsmarken auf. Hier zählen rasches Reagieren auf den Markt, Produktpositionierung etc. 
Auf der anderen Seite gibt es die forschungsgetriebene, nach innovativen Medikamenten suchende Pharmaindustrie. Diese Unternehmen und ihre Mitarbeiter sind viel stärker in der Wissenschaft drin. Es geht vielmehr um den wissenschaftlichen Vorsprung, um Klinische Studien um Therapien und Krankheitsbilder.

Für welche Positionen werden NaturwissenschafterInnen gesucht?

Wenn man davon absieht, dass Pharmareferent nur mit zusätzlicher Pharmareferentenprüfung ausgeübt werden kann, außer der Kandidat hat Medizin, Pharmazie oder Veterinärmedizin studiert, bietet Marketing ein breites Betätigungsfeld, ebenso der Medical Bereich – Regulatory Affairs, Medical Writer, Medical Advisor, Clinical Research etc. Zum Teil hängt es allerdings auch von Unternehmen ab, inwieweit es für gewisse Positionen bestimmte Studien voraussetzt. Stellenausschreibungen daher immer vollständig und genau durchlesen und dann entscheiden, ob man dem Anforderungsprofil entspricht oder nicht.

Worin unterscheiden sich Klein- und mittelständische Unternehmen von internationalen Konzernen.

Es gibt sehr viele Unterschiede. Man könnte sagen, je kleiner das Unternehmen, umso vielfältiger die Tätigkeiten, denn es gibt nicht so viele Mitarbeiter, auf die die Arbeit verteilt werden kann. In einem großen Unternehmen sind die Prozesse, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar geregelt. Das Aufgabenspektrum und der Gestaltungsspielraum für den Einzelnen sind meist viel schmäler. Die Gehälter sind in den Konzernen oft besser; Konzerne haben einen klingenden Namen; es gibt Aufstiegs- und Karrierechancen. Dafür ist man in einem Kleinunternehmen von Anfang an sehr nah an strategischen Entscheidungen dran. Man bekommt viel mehr vom Gesamtgeschehen des Unternehmens mit. Es hat beides seine „Für“ und „Wider“.

Wo soll man mit der Karriere starten? Im Kleinunternehmen oder im Konzern?

Wer zuerst lernen will, wie ein Unternehmen in seiner Gesamtstruktur funktioniert, der soll in ein Kleinunternehmen gehen. Was ich persönlich für einen sehr guten Berufseinstieg betrachte. Wechseln kann man dann immer noch. Wobei es vermutlich leichter ist, aus einem mittelständischen Unternehmen in den Konzern zu wechseln als umgekehrt.

Wie sieht es mit dem Wechsel von einem Unternehmen zu einem anderen aus. Wann ist ein Wechsel angesagt und unter welchen Bedingungen würden Sie davon abraten?

Es ist immer von Fall zu Fall verschieden. Eine Grundfrage, die sich jeder stellen sollte lautet: „Will ich mich von einem Unternehmen weg bewegen? oder Will ich mich auf etwas Neues zu bewegen?“. Wenn die Motivation allein das „weg von…“ ist, dann empfehle ich, vorerst noch zu bleiben, bis man wirklich etwas gefunden hat, wo man hin möchte.

Wie wechselt man seinen Dienstgeber?

Ganz wichtig ist, bis zum letzten Tag eine gute Arbeitsleistung zu erbringen. Die Arbeit ordentlich übergeben, dass sich der Nachfolger rasch zurecht findet. Die Pharmabranche ist zu klein, als dass man nicht sicher sein kann, in zwei Monaten schon wieder denselben Vorgesetzten zu haben. Es ist schon vorgekommen, dass Mitarbeiter in ein neues Unternehmen gewechselt haben und kurze Zeit später wurde das neue Unternehmen vom früheren Dienstgeber übernommen. Jedes Dienstverhältnis soll von beiden Seiten – also Dienstgeber und Dienstnehmer – fair und mit erhobenem Haupt zu Ende gehen. Mit diesem Zugang kann man als Dienstnehmer am Ende nochmals punkten und einen bleibenden positiven Eindruck beim Unternehmen hinterlassen – und man weiß ja nie, wofür der gute Eindruck vielleicht einmal nützlich sein kann.

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