Pharmaceutical Tribune: Apotheken im Wandel des Handels

Pharmaceutical Tribune, Nr. 19 | Am 7. Dezember 2018 lädt die HealthCareConsulting Group zum IGEPHA Themenfrühstück mit Titel „Danke Amazon & Co!“. Gastgeber Mag. Dominik Flener über die Chancen, die die Digitalisierung Apotheken und Industrie eröffnet.

Herr Mag. Flener, die Online-Performance heimischer Apotheken reicht von der Präsenz auf allen Kanälen bis hin zur Null-Aktivität. Warum diese Inhomogenität?

Das Gesamtbild ist sehr diffus. Es gibt ein paar Apotheken, die sich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigen, das sind in etwa zehn Prozent. Die sind aktiv, die probieren aus. Sie haben eine Website mit einem Webauftritt, dabei einen Webshop und sie bespielen Social-Media-Kanäle. Diese sehen auch das Thema Versandhandel über andere Kanäle verhältnismäßig entspannt. Dann gibt es noch die zehn Prozent auf der anderen Seite der Skala, die nicht einmal eine Website haben. Und dann gibt es einen Mittelbau, der zwar offen ist, sich aber vor dieser Herausforderung fürchtet und nicht so recht weiß, wie man damit  umgehen soll. Dazu kommt der Aufschub auf die nächste Generation, denn die Pension naht.

Gerade dieser Mittelbau müsste einen Schritt nach vorne machen. Und wenn man von Hinterherhinken spricht, dann liegt dies am Mittelbau, der das Potenzial hat, etwas zu tun, aber noch nicht aktiv ist. 

 

Wie fördert man diese Aktivität?

Einerseits ist der Nachwuchs gefragt, aktiv zu werden, weiters stellt sich die Frage nach dem Leidensdruck. Veränderungen finden erst statt, wenn dieser entsprechend hoch ist. Apotheken, die noch recht gut vom Rezeptgeschäft leben und wo das  Freiwahlgeschäft keinen so  relevanten Stellenwert hat, spüren den Druck weniger.

Andererseits haben Apotheken, die im Online-Handel stark unterwegs sind, das klassische 70:30-Verhältnis,
also rezeptpflichtig zu rezeptfrei,  komplett umgedreht. Diese machen 35 Prozent rezeptpflichtigen
Umsatz und 65 Prozent Privatumsatz.

„Veränderungen finden erst statt, wenn der Leidensdruck entsprechend hoch ist.“

Dominik Flener

HCC Team: Dominik Flener im Gespräch

Ist der Grund dafür tatsächlich in der digitalen Offensive zu orten?

Grundsätzlich ja. Aber notwendig sind nicht nur digitale Maßnahmen. Ein eigener Webshop und  Versandhandel gehören natürlich dazu, um sich am Markt neben Amazon oder Shop-Apotheke zu behaupten. Darüber hinaus muss sich der Apotheker jedoch verstärkt überlegen, wie er ein besseres Erlebnis in der Apotheke schaffen kann. Das heißt: vom klassischen Handel lernen und Handlungen setzen, um die Verweildauer zu erhöhen. Kunden sollen die Apotheke nicht nur aufsuchen, wenn sie krank sind, sondern weil sie sich auch etwas
Gutes tun möchten. Und bestes Beispiel sind die Apotheken, die den Umsatz gedreht haben – diese sind auch in diesem Segment besser aufgestellt. Sie sind gut ausgestattet, sie haben geschultes Personal, gute Auslagen, eine gute Website und sind auf Google Maps vertreten. Sie haben also die Basis-Hausaufgaben gemacht.

Kunden, denen etwas geboten wird, z.B. Testmöglichkeiten für Kosmetik, bleiben treu. Online kann man eine Creme nicht testen, aber man kann sich in der Apotheke beraten lassen. Der Webshop ist dann die Abrundung dieses Modells, wenn der Kunde  SEINE Creme dann online in SEINER Apotheke kaufen kann.

 

Die es woanders billiger gibt …?

Ich denke, dass es da gerade im Apotheken und Gesundheitssegment loyale Kunden gibt, die dieses „Showrooming“, vor dem sich alle fürchten, nicht machen. Also sich lange beraten zu lassen, um dann billiger online zu kaufen. Gerade im Gesundheitssegment braucht man Hilfe unmittelbar. Z.B. bei Halsschmerzen will ich sofort eine Lösung haben. Oft ist es hier auch umgekehrt: Man informiert sich im Internet und geht dann in die  Apotheke. Aktive Apotheker haben auch in diesem Punkt weniger Angst.  Natürlich kann es passieren, dass sich jemand erst beraten lässt und dann online woanders einkauft. Das ist Part of the Game. Aber da muss man auch die Mitarbeiter schulen, damit sie gut beraten und den Abschluss machen.

 

Marketing für Pharmazeuten – eine neues Berufsfeld?

Ja, das wäre natürlich eine nette Kombination, die Erfahrung lehrt aber, dass es meist keine Pharmazeuten sind, die die Marketingaktivitäten übernehmen. Oft sind es Mitarbeiter mit kaufmännischer oder technischer Ausbildung, die sich diesem Bereich zugewandt haben. Interessant ist, dass die Apotheken jetzt beginnen, sich außerhalb ihrer Stammklientel den PKAs und Pharmazeuten umzuschauen.

Der Blick über den Tellerrand ist in den Apotheken, die vorne dabei sind und sich etwas trauen, weiter. Hier gibt es auch bereits spannende Beispiele aus Wien, wie man neue Shopkonzepte an die Apotheke angliedern kann. Diese neuen Konzepte spalten zwar in der Branche die Geister – von scharfen Kritikern, die eine Vermischung von Apotheke und Drogerie wittern, hin zu Fans, die wissen wollen, wie das genau funktioniert hat. Und es ist genau dieser Balanceakt, den man wagen soll. Es braucht mehr Mut zur Innovation und da verlangt es in manchen Fällen eine neue Generation.

 

Kann es bis dahin zu spät sein?

Das stimmt, frei nach dem Motto, es ist eh schon alles verloren. Ist es natürlich nicht und damit sind wir wieder beim Leidensdruck. Viele Apotheken sagen einfach: „So wie es ist, funktioniert es, wir haben ein rezeptgetriebenes Geschäft, ich muss da jetzt nicht viel tun.“ Die große Frage ist: Wann kommt der Clash? Wenn sich im Erstattungssystem was ändert, dann kracht es. Nur fühlt man sich davon halt nicht betroffen und gibt das Problem an die nächste Generation weiter.

 

Und damit zur Industrie? Welche Chancen bietet die Digitalisierung Industrie und Apotheke?

Da ist viel Luft nach oben. Apotheken bekommen von der Industrie oft nicht einmal das hochwertige  Material, das sie brauchen, um die Produkte optimal zu präsentieren. Das fängt bei Packshots an und endet bei der Bespielung von Inhalten auf den digitalen Kanälen oder apothekeneigenen Screens. Hier wäre ein enges Zusammenspiel zwischen Industrie und Apotheke notwendig.  Viele Apotheken möchten selbst entscheiden, was läuft, aber sie brauchen die Inhalte.

Seitens der Industrie wiederum ist es wichtig, die Apotheken zu unterstützen und Content zur Verfügung zu stellen, der den Vorstellungen des Apothekers entspricht. Nicht nur produktspezifisch, sondern mit Schwerpunkt auf Indikationen. Die Industrie sollte sich also stärker in Richtung Content Provider aufstellen, was aus meiner Sicht bisher nicht der Fall ist. Aber die Apotheken wollen halt nicht nur Werbefilmchen  ablaufen lassen.

Quelle: Pharmaceutical Tribune, Nr. 19, 7. November 2018

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